In der Pandemie

Wie ein Virus die Welt verändert

Wir stecken mitten drin in einer Pandemie und es wird noch einige Zeit vergehen, bis wir zu einer so sehnlich erwarteten Normalität zurückfinden werden. Das Virus hat uns aus unserem Alltag gerissen und zerrt an unseren Nerven. Wir werden mit Informationen überschüttet. Nachdem Politik, Medien und wir alle als Gesellschaft in den ersten Wochen doch ziemlich einhellig an einem Strang gezogen haben, wird es zunehmend schwieriger einzuordnen, was Hand und Fuß hat, wie viel Freiheit oder eben Nicht-Freiheit gerechtfertigt und sinnvoll ist und wie unser Leben nun mit Virus weitergehen soll. Das Leben in der Pandemie wird von so vielfältigen Problemen bestimmt, dass vermeintlich einfache Lösungen für einige plausibler scheinen, als die Komplexität anzuerkennen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Die Lage ist ernst! 

Virus
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Diese Krise ist für uns alle neu!

Die Situation ist für uns alle neu – für wirklich alle – auch für die Wissenschaft. Zahlreiche Wissenschaftler, Wissenschaftsjournalisten und andere Kommunikatoren arbeiten hart, um ein klares Bild der Lage zu vermitteln. Aber die Komplexität der Probleme und die vielen Dilemmata in den wir stecken, erlauben uns keine einfachen Antworten.
So wächst der Nährboden für aus dem Kontext gerissene Aussagen, Vereinfachungen, die schlicht falsch sind, die Warnung vor der vermeintlichen Bedrohung unserer Freiheit in der angeblich nur aufgebauschten Gefahr, die wachsende Angst vor einer Impfpflicht, Verschwörungstheorien und Populismus. Die Masse der Informationen macht es schwer zu filtern, was davon wirklich etwas taugt und was nicht.

Wissenschaft schafft Wissen

Die Geschwindigkeit, in der Wissenschaftler rund um den Globus unter Hochdruck an diesem Themenkomplex forschen, ist einmalig in der Wissenschaftsgeschichte und noch nie waren so viele Augen gleichzeitig auf sie gerichtet. Unser Wissen wächst mit jedem Tag und ich beobachte mit Faszination und Staunen, wie Wissenschaftler rund um den Globus so gut vernetzt in einer solchen Geschwindigkeit gemeinsam an einem Thema  arbeiten. Aber eigentlich ist das System Wissenschaft langsam und das hat durchaus gute Gründe. Bevor ein Artikel in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wird, lesen ihn andere Experten des gleichen Gebietes (das sogenannte Peer Review) und untersuchen, ob das neue Wissen auch stichhaltig ist, die Methoden angemessen sind und die Interpretation auf soliden wissenschaftlichen Grundlagen beruht, auch Probleme und andere Interpretationsmöglichkeiten werden diskutiert. Der Prozess, bis ein Artikel den wissenschaftlichen Anforderungen gerecht wird und in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wird, benötigt meist Wochen und Monate. Um der Fachgemeinschaft neue Erkenntnisse schneller zugänglich zu machen, werden viele Ergebnisse zunächst auf sogenannten Pre-Print-Servern (z.B. ArXiv, BioArXiv, MedArXiv…) hochgeladen. So können sich die Kollegen schon vor der offiziellen Veröffentlichung ein Bild machen und neue Erkenntnisse, nach eigener Prüfung, für die eigene Forschung nutzen. 
In der Pandemie suchen wir aber tagtäglich nach Antworten und schneller Hilfe. Das heißt, dass die Mechanismen der Selbstkorrektur nicht im gewohnten Maße greifen können. Es geht einfach zu schnell. Deshalb ist aber nicht alle Erkenntnis Unsinn, vielmehr lernen wir jeden Tag aus der aktuellen Lage und übersetzen dieses Wissen zu unser aller Wohl in Handlung. 
Für Wissenschaftler wie auch Journalisten ist es schwer hinterherzukommen. Angefeindete Wissenschaftler überlegen sich, ob der Versuch der sachdienlichen Kommunikation im Angesicht verdrehter Aussagen noch lohnt. So weit dürfen wir es nicht kommen lassen!
Unsere Wissenschaft (mit ihren so vielfältigen Disziplinen) bietet die Grundlage unseres Wissens über die Welt. Damit sagt sie nicht, was wir zu tun haben, aber sie zeigt uns die möglichen Auswirkungen unseres Handelns. Diese Möglichkeiten nach bestem Wissen und Gewissen in gesellschaftliche und politische Maßnahmen umzusetzen, ist das beste Werkzeug, dass wir in der Hand haben, um diese Krise so unbeschadet wie möglich zu überstehen!

Journal
Nomade

Seuchen in der Menschheitsgeschichte

In unserer Geschichte spielen Seuchen eine entscheidende Rolle. Sie haben vergangene Gesellschaften entscheidender geprägt als Kriege. Die Grundlage für die Erfolgsgeschichte der Seuchen beginnt wie so viele Facetten unserer modernen Welt mit dem Übergang nomadischer Jäger und Sammler zu sesshaften Ackerbauern und Viehzüchter. 
Sicher gab es auch schon vor der Sesshaftwerdung Infektionskrankheiten, doch erst mit den ersten Siedlungen finden wir immer größere Gruppen von Menschen dauerhaft an einem Ort. Mehr Menschen befanden sich in einem engeren Kontakt zueinander und zu ihren Haustieren. Infektionskrankheiten konnten sich so sehr viel leichter über größere Gruppen ausbreiten. Durch den aufkommenden Handel war dann auch bald der Weg von einer Gruppe zur anderen geebnet.
Seitdem haben Seuchen durch die Geschichte hindurch Gesellschaften einschneidender geprägt als Kriege und Revolutionen. Ob Pest, Cholera, Pocken, spanische Grippe, Ebola, SARS oder die vielen anderen alten und neuen Erreger, sie alle fanden und finden zum Teil noch heute im Menschen einen idealen Wirt. Auch wenn wir die Pocken tatsächlich ausgerottet haben (der letzte Fall wurde 1978 registriert), ist dies eine absolute Ausnahme. Sie bleiben bis heute die einzige Krankheit, der wir tatsächlich den Gar ausgemacht haben. Doch selbst die Pocken könnten zurückkommen, ganz zu schweigen von den unzähligen anderen Infektionskrankheiten. Manche kennen wir vielleicht bereits, andere können wir erahnen und wieder andere liegen noch im gänzlich unbekannten. Die Idee, wir könnten sämtlicher Infektionskrankheiten Herr werden, mussten wir schon seit geraumer Zeit ad acta legen. Zu viele Krankheiten verbreiten sich im Stillen oder finden im Tierreich ein Reservoir, so dass sie unabhängig vom Menschen weiter existieren und sich weiterentwickeln  können.
Wenn wir Infektionskrankheiten nicht ausrotten können und zugleich aber wissen, dass sie uns wieder und wieder in Form kleinerer Epidemien oder wie jetzt großer Pandemien heimsuchen, dann ist die logische Schlussfolgerung, dass wir uns besser vorbereiten. Um potenzielle Seuchen und ihre Ausbreitung gezielt rund um den Globus so schnell wie möglich zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, brauchen wir global ein gut funktionierendes und vernetztes Gesundheitssystem und unermüdliche Forschung. Wie Harald Lesch so schön gesagt hat: „Wissenschaft ist Systemrelevant“.

Ist die Pandemie unerwartet?

Aus wissenschaftlicher Perspektive ist diese Pandemie leider kaum überraschend, am wenigsten die Tatsache, dass das Virus über ein Wildtier den Weg zum Menschen fand. Weltweit schrumpfen die wenigen noch intakten Ökosysteme und werden zudem immer weiter zerstückelt. Dadurch werden auch die Gruppen der in diesen Ökosystemen lebenden Wildtiere zunehmend kleiner. So hat ein Virus leichtes Spiel sich in den kleinen Gruppen rasch auszubreiten. Dabei zerstören wir nicht nur die Lebensräume wilder Tiere, wir Menschen rücken zeitgleich immer näher an diese heran und bieten einem Virus den idealen Wirt. 
Wenn gerade irgendjemand einen Vorteil hat, dann ist es wohl unsere Natur. 2020 wird das erste Jahr werden, in dem wir global unsere Klimaziele erfüllen. Die Satellitenaufnahmen der Region von Wuhan sind ein eindrücklicher Beweis, wie uns das Virus auf der einen Seite zwar die Luft zum Atmen nimmt, sie aber auf der anderen Seite sauberer werden lässt und uns eine ganz neue Atemluft schenkt. 
Diese Vollbremsung ist eine Chance, aus der wir gewandelt hervorgehen werden. Die Richtung des Wandels bestimmen wir alle – jede*r Einzelne von uns ebenso wie die Politik. Es ist höchste Zeit den Wert unseres Miteinander wieder wirklich zu schätzen und unseren Platz als Art unter unzähligen anderen Arten genügsamer auszufüllen.
Das Virus gibt uns Zeit zum Nachdenken, also nutzen wir sie und fragen uns, worauf es im Leben eigentlich wirklich ankommt.

Herbst
VirusBorde
error: Sorry, aber wenn du Interesse an meinen Bildern hast, dann schreib mir doch bitte.